Herbie ist immer ein wilder Hund gewesen.
     Witzig, draufgängerisch,
     bei jeder Blödheit dabei.
     Ich erinnere mich noch: in der Schule -
     er hätte jede von uns kriegen können
     mit einem Pfiff.
     Er hat Baß gespielt in der Schulband
     und war Jugendmeister im Zweihundertmeter-Rückenschwimmen.
     Später hat er den Poeten gemacht,
     Verlaine und John Lennon zitiert
     und für Arthur Rimbaud geschwärmt,
     der Dichter und Waffenhändler war
     und im Puff gewohnt hat.
     Herbie wollte es zu etwas bringen,
     er wußte nur noch nicht, zu was:
     Popstar oder Dichter oder Sportler des Jahres
     oder alles zusammen.
     Von »Poesie des Abenteuers«
     hat er immer geredet
     und vom »Abenteuer der Poesie«.
     Irgend sowas muß er gesucht haben,
     wenn er im Winter auf Eiswände kletterte,
     auf zugefrorene Wasserfälle
     oder am Seil von der Brücke sprang.
     Später machte er eine Tour:
     auf Langlaufskiern durch die Sahara
     von einer Mineralwasserfirma gesponsert.
     Er lernte Wellenreiten auf Hawai
     und drehte einen Werbefilm für Bacardi.
     
     Dann überquerte er mit einem Surfboard
     die Behringstraße.
     Er kam fast um dabei,
     aber das Filmteam im Hubschrauber
     hatte strikte Order nicht einzugreifen.
     
     Wir alle mochten Herbie
     und gingen zu seinen Diavorträgen
     und Multimediashows
     und er schenkte uns seine Bücher
     mit Widmung und Unterschrift:
     »Poesie des Abenteuers
     für meine unvergessene Susie
     (oder Ellen,
     oder Sonja)«
     Meinen Jüngsten - ich hatte ja damals schon zwei,
     so schnell geht das -
     hob er immer mit einem Finger hoch
     und dem anderen hat er einmal
     sein berühmtes Käppi geschenkt
     mit dem Markenzeichen seines größten Sponsors.
     Natürlich hatte er ganze Schränke
     voll dieser Käppis,
     aber das wußte mein Junge ja nicht.
     Letzte Woche haben sie ihn gefunden
     in der Stadthalle, wo seine Diashow lief.
     Mit einem Kletterseil hatte er sich erhängt,
     direkt vor der Leinwand.
     Sein Manager wollte es ja vertuschen,
     aber es ist doch durchgesickert:
     er hing da am Seil und war ganz nackt
     und hatte nur seinen ganzen Körper
     mit den Aufklebern seiner Sponsoren beklebt
     und mit Lippenstift auf seine Brust
     POESIE DES ABENTEUERS
     geschrieben.
     Er ist immer ein wilder Hund gewesen.