Dieses Service für
Poesie-Voyeure ermöglicht es, dem
Dichter beim Dichten zuzusehen.
Zum ersten Mal hatte
ich die Idee, den Vorgang des Gedichteschreibens
mit dem Computer aufzuzeichnen, schon
1991. Ich schaltete dazu einfach die Makro-Aufzeichnungsfunktion
von Word 5.0 ein und begann zu dichten.
Lässt man diese Makros im "Einzelschritt"-Modus
ablaufen, kann man die Reihenfolge der
Tastenanschläge nachvollziehen. Freilich
nicht in Echtzeit, sondern in dem Tempo,
in dem man beim Abspielen auf die Zwischenraum-Taste
einhämmert.
13 Jahre später
greife ich die Idee wieder auf. Ich benütze
eine Screenrecording-Software, die getreulich
aufzeichnet, was sich auf einem Teil des
Bildschirms abspielt. Da sich zeitweise
sehr wenig abspielt, habe ich auch noch
eine Webcam dazugeschaltet, damit man
dem Dichter, wenn er grade nichts tippt,
beim Teetrinken und gegebenenfalls auch
beim Nasenbohren zusehen kann.
Die Vorgangsweise ist
die: Ich setze mich unvorbereitet an den
PC, schalte die ganze Aufzeichnungsapparatur
ein und versuche in möglichst zehn
Minuten ein Gedicht zu schreiben. Meistens
beginne ich damit, irgend etwas hinzuschreiben,
was mir gerade durch den Kopf geht, so
lange, bis etwas auftaucht, was nach einer
Idee aussieht. Dann versuche ich, der
Idee Form zu geben. Wenn ein brauchbar
scheinendes Ergebnis da ist, höre
ich auf. Das End-Ergebnis mag sich dann
noch einmal vom vorläufigen Ergebnis
unterscheiden, denn ich feile auch später
noch an dem Text, und auch dieser Unterschied
mag wiederum von Interesse sein.
Was dabei entsteht, sind
kleine, surreale, meist sehr konzentrierte
Texte von zugegeben unterschiedlicher
Qualität. Die Aufzeichnungen geben
einen gewissen Einblick in die Arbeitsweise,
die Assoziationsketten, die gegenseitige
Beeinflussung von Begriff, Rhythmus, Klang
etc.
Ich würde empfehlen,
die Texte, wie sie auf dem Bildschirm
sichtbar werden, immer wieder laut zu
lesen. Erst beim lauten Lesen wird deutlich,
was die jeweiligen Änderungen bewirken.
Ich selber arbeite so, d. h. ich spreche
mir den Text in Gedanken vor, ich spreche
zwar nicht laut beim Schreiben, aber ich
horche höchst aufmerksam auf den
Klang in meinem Kopf. Meine Lyrik ist,
wie auch meine Prosa, mit den Ohren geschrieben.
Man kann zuerst das fertige
Gedicht lesen und sich dann ansehen, wie
es entstanden ist, man kann sich aber
auch überraschen lassen, was am Ende
wohl rauskommen wird.
Um die Videos anzusehen
braucht man eine Breitbandverbindung und
das Flash Plug-in.
Da sich die technischen Voraussetzungen mit der Zeit ändern, wodurch Teile des Webs icht mehr dargestellt werden, musste ich das Projet 2024 restaurieren und die Flash-Animationen in mp4-Videos umwandeln. |