Hier bin ich, genau im Mittelpunkt des Netzes.
Nicht, weil ich jemand besonderes wäre.
Ich bin im Mittelpunkt, weil der Mittelpunkt überall sein kann, und ein jeder Punkt der Mittelpunkt ist.
Hier bin ich, mittendrin, genau im Mittelpunkt des Netzes. Die Nacht ist dunkel, und ich schicke Signale hinaus an ein jedes, das sie sieht.
Ich weiß, ihr seid da draußen.. Ich weiß, ihr seid da, sechs Milliarden von euch, und ein jedes von euch könnte meine Signale empfangen, doch die meisten von euch werden es nie, und den meisten ist das auch sowieso völlig egal.
Da sind wir also, sechs Miliarden Seelen, und wissen voneinander nicht einmal den Namen und die Adresse, und könnten uns auch nicht ein Tausendstel all der Namen und Adressen merken, sogar wenn wir wollten.
Und doch: Alles was ich tue, wird auf irgend eine Weise ein jedes von euch betreffen. Wir sind sechs Milliarden Billiardkugeln auf einem runden Tisch ohne Banden. Wann immer ich eins von euch treffe, wird das deinen Lauf verändern, und du wirst jemand anderes treffen und dessen Lauf verändern und so weiter und so weiter. Und ale sind wir Spieler und Kugeln zugleich, versuchen alle unseren Weg zu finden und wissen niemals, was das Ergebnis unserer Spielzüge sein wird, und wundern uns immer warum es nicht das ist, was wir geplant haben. Sicher ist nur, daß wir eines Tages in eins dieser Löcher in den Ecken des Tisches fallen werden, der rund ist, und doch für jedes von uns eine Ecke mit einem Loch drin hat.
Und das ist, weil wir zu viele Kugeln auf diesem Tisch sind, so daß wir niemals von allen Kugeln den Weg verfolgen können, niemals berechnen können, was das Ergebnis unserer Züge sein wird. Ich weiß nicht, welche Kind verhungern wird, bloß weil ich beschlossen habe, keinen Kaffeee aus Mexiko mehr zu kaufen. Ich weiß nicht ob ich nicht vielleicht dadurch, daß ich ein japanisches Auto kaufe statt einem deutschen, irgendwie mithelfe, eine Spannung zu erzeugen, die dann in zwei jahren einen Krieg zwischen Rußland und Polen hervorruft. Nein, wir sind zu viele um auszurechnen, wohin dieses gigantische Snokerspiel uns noch führen wird, 6 Milliarden Kugeln, sechs Milliarden Spieler, und alle spielen gleichzeitig.
Und doch - wenn ihr alle in einer Reihe aufgereiht wärt, und ich würde pro Sekunde immer vieren von euch die Hand schütteln, jeden Tag zwölf Stunden lang: das würde bloß 95 Jahre dauern. Es wäre durchführbar.
Oder: eine Person kann in einer Veranstaltungshalle zu 10.000 Menschen sprechen, ohne ein Mikrofon zu benutzen. Wenn ich also pro Tag zwanzig Versammlungen abhalten würde, immer mit 10.000 Teilnehmern, dann könnte ich jeden Tag zu 200.000 von euch sprechen, ohne auch nur ein Mikrofon zu benutzen, von Mensch zu Mensch. Nach 82 Jahren hätte ich zu einem jeden von euch gesprochen.
Aber was würde ich euch sagen? Und hätte ich Zeit, eure Antworten zu hören? Sicher nicht.
Aber was wäre, wenn ihr mir Nachrichten schicken würdet? Ein jedes von euch eine Zeile von 25 Buchstaben, um zu sagen, wie's euch geht. "Mir gehts gut, danke dir!", oder "Hab meinen Mann verloren!" oder: "Hallo, sterbe an Malaria!". Das wären 150 Milliarden Zeichen oder 75 Millionen Seiten. Nun ja, sogar, wenn ich 16 Stunden am Tag 20 Seiten pro Stunde lesen könnte, würde ich 600 Jahre brauchen, um alle eue Briefe zu lesen. Aber wenn ihr mir nur einen Brief pro Familie schicktet (und manche Familien da draußen sind ziemlich groß), dann könnte ich vielleicht in meiner Lebenszeit doch alle lesen.
Ihr seht also: Wir sind doch nicht so viele. Wir sind nicht so viel, daß wir nicht miteinander reden oder uns umeinander kümmern könnten, oder in Betracht ziehen, was wir einander antun. Wir könnten es gerade schaffen, unsere Leben selbst in die Hand zu nehmen und die Sachen miteinander zu bereden und schauen, was ein jedes so braucht und wovon es träumt, und überlegen, was da zu machen wäre.
Hier sitze ich also, mittendrin, genau im Mittelpunkt vom Netz, und schicke Signale hinaus ins Dunkel.
Ich würde gern wissen, wie sich Leuchttürme fühlen.